Eine Erinnerung an die Schulzeit, die für die meisten zu den Unvergesslichsten gehört, lag für uns bis vor kurzem noch in unerreichbarer Ferne: Eine Abschlussfahrt machen zu können. Während andere Schüler*Innen der 13. Klasse in vergangenen Jahren sogar in die verschiedenen Ecken des europäischen Kontinents fuhren, verbot die Corona-Inzidenz über 100 ein solches Unterfangen noch lange Zeit. Eine überraschende Regeländerung des hessischen Kultusministeriums schaffte dann allerdings glückliche Gewissheit, sodass wir unser gemeinsam ausgewähltes Wunschziel bereisen konnten.
Begleitet von unseren drei Tutoren (Frau Dr. Ann Kimes, Herr Hubertus Diehl und Herr Tim Degl) machten wir uns also am Morgen des 20.09.2021 mit dem Bus auf den Weg nach Berlin. Die Vorfreude war gigantisch – schon Wochen vor der Fahrt gab es kaum ein anderes Gesprächsthema. In Berlin selbst erwartete uns dann ein breites Kulturangebot und ein straffer Zeitplan, man wollte die wenigen Tage, bis es am Freitag wieder nach Hause ging, ja schließlich möglichst effektiv nutzen und trotzdem einen guten Eindruck von der Stadt und ihrer Geschichte bekommen.
Nachdem die noch Ungeimpften sich ganz coronakonform (jeden Tag) getestet hatten, verschafften zunächst diverse Stadtrundgänge und -fahrten einen groben Überblick, der dann von unterschiedlichen Tagesausflügen verfeinert wurde. Omnipräsent während der gesamten Fahrt war natürlich das von Krieg und Spaltung gezeichnete Berlin, das man durch Mauergänge und einen Besuch in der Dauerausstellung „Topographie des Terrors“ erst richtig kennenlernen konnte. Schon vorher wurde diese Zeit intensiv im Unterricht behandelt, jedoch waren wir uns alle einig, dass uns nichts einen besseren und nachhaltigeren Eindruck hätte verschaffen können als echte Überbleibsel und Zeitzeugen zu sehen und zu sprechen.
Das war auch der Grund, warum die meisten den Ausflug in das ehemalige Staatssicherheit-Gefängnis und heutige Gedenkstätte Hohenschönhausen als spannend empfanden. Dort berichteten wahrhaftige Ex-Häftlinge über ihren Aufenthalt vor Ort, sowie über ihre schrecklichen Erfahrungen.
Waren wir gerade aber Mal nicht auf Bildungsmission unterwegs, durften wir selbstbestimmt über unsere Freizeit verfügen. Durch die öffentlichen Verkehrsmittel konnten wir uns in kleinen Gruppen ungehindert in Berlin bewegen, was meistens dazu genutzt wurde, um Berlin auch kulinarisch besser kennenlernen zu können. In diesem Schmelztiegel der Kulturen schien das Angebot grenzenlos, besonders was veganes Essen und Trendfood anging. Nichts hinderte uns also beim Frühstück schon zu planen, welches Restaurant es am Abend sein durfte, was neben der Frage, wo denn die nächste Toilette sei, mit über 40 Schüler*Innen und drei Lehrkräften die mit Abstand meist gestellte war.
Abends im Hotel angekommen fanden wir uns meistens zusammen entweder kartenspielend oder über die Geschehnisse des Tages redend am Tisch wieder. Auch unsere Tutoren wollten sich es nicht nehmen lassen, abends z.B. noch eine Runde Tischkicker mit uns zu spielen, was auf deren Seite ungeahnte Talente offenbarte.
Trotz Spiel und Spaß begleitete uns der Ernst des Lebens auch nach Berlin, was einige dazu veranlasste, die möglichen 20kg Gepäck vor allem für Chemie- und Bio-Bücher zu nutzen, um dann doch noch mal für die anstehenden Klausuren und das Abitur zu lernen. Aber so wie die meisten Dinge, fiel auch das mit den eigenen Leidensgenossen einfacher als allein.
Obwohl wir seit über einem Jahr fast jeden Tag miteinander verbringen und uns stundenlang im Unterricht gegenübersitzen, hat man nach dieser einen Woche das Gefühl, alle erstmal richtig kennengelernt zu haben. Wir haben noch mal anders als Gruppe zusammengefunden – besser als wir es ohne Berlin je gekonnt hätten – sodass wir jetzt bereit sind, die Herausforderungen, die noch vor uns stehen, bewältigen zu können, gemeinsam!
Der Abiturjahrgang 2022 möchte sich hiermit nochmal von ganzem Herzen bei ihren drei Tutoren für diese einmalige Erfahrung bedanken! (Und sich für jedes Mal, wenn wir morgens etwas getrödelt haben, entschuldigen). Wir wissen, wie nervenaufreibend eine solche Fahrt besonders in Corona-Zeiten sein kann, trotzdem sind wir der Überzeugung: Es hat sich gelohnt!
Autor: Luca Werner